Aus Bürgergeld wird Grundsicherung: Das ändert sich alles

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Es ist faktisch im Koalitionsvertrag beschlossen: Die Umbenennung des Bürgergeldes zurück in „Grundsicherung für Arbeitssuchende“. Laut vorliegenden Informationen soll die “Grundsicherung für Arbeitssuchende” nicht im vollem Umfang neu gestaltet. Einige Neuerungen, die im Bürgergeld galten, sollen jedoch wieder einkassiert werden,.

Neuer alter Begriff

Bereits unter Hartz IV und auch während der Zeit des Bürgergeldes sah das Gesetz in Artikel 1 SGB II die „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ vor. Nun scheint dieser Begriff zum offiziellen Titel zurückzukehren.

Welche Änderungen sind konkret geplant?

Die Koalitionspartner haben im Wesentlichen kosmetische Neuerungen in Aussicht gestellt. Dazu gehört vor allem die Rücknahme einiger, zuvor mit dem Bürgergeld eingeführter Regelungen.

Die Aussagen im Koalitionsvertrag enthalten zahlreiche Formulierungen wie „wir wollen sicherstellen“, anstatt verbindliche Zusagen zu geben.

Dies nährt Zweifel daran, inwieweit geplante Unterstützungsleistungen wie eine intensivere persönliche Beratung, bessere Gesundheitsförderung oder eine erweiterte finanzielle Ausstattung der Jobcenter tatsächlich umgesetzt werden.

Kommt es zu strengeren Sanktionen und Leistungseinstellungen?

Bereits im Wahlkampft wurden 100 Prozent Vollsanktionen für Leistungsberechtigte, die wiederholt zumutbare Jobangebote ablehnen, angedroht.

Die vollständigen Leistungseinstellungen gelten zwar als eines der großen Schlagworte der Reform, könnten in der Praxis jedoch eher eine Drohkulisse bleiben. Denn die rechtlichen Voraussetzungen für eine komplette Einstellung der Leistungen sind kompliziert und nur schwer rechtssicher durchzusetzen.

Dennoch wird im Koalitionsvertrag explizit ein schnelleres, einfacheres und unbürokratischeres Sanktionsverfahren angekündigt. Ob dies zu umfassenden Leistungskürzungen in der Praxis führen wird oder ob stattdessen nur eine neue bürokratische Drohung entsteht, bleibt abzuwarten.

Was passiert mit dem Schonvermögen?

Nach den Plänen der neuen Koalition sollen die während der Zeit des Bürgergeldes eingeführten Karenzzeiten für das Schonvermögen wieder abgeschafft werden.

An ihre Stelle soll eine Regelung treten, die auf die Lebensleistung der Antragstellenden Bezug nimmt. Auch die Fortschreibung der Regelsätze wird laut Koalitionsvertrag an ältere Rechtsstände angepasst. Dies erinnert an die Hartz-IV-Praxis, in der das Schonvermögen vom Lebensalter abhing und sich an bestimmten pauschalierten Beträgen orientierte.

Geplanter Passiv-Aktiv-Transfer

Besonders unklar ist der im Koalitionsvertrag genannte „Passiv-Aktiv-Transfer“, der rechtlich verankert und weiter ausgebaut werden soll. Darunter versteht man in der Regel finanzielle Anreize oder Zuschüsse für Arbeitgeber, um Menschen, die bisher passiv Leistungen bezogen haben, in Arbeit zu bringen.

Ob diese Idee in Richtung staatlich subventionierter Beschäftigung oder sogar in Richtung 1-Euro-Jobs gehen könnte, ist nicht eindeutig erkennbar. Kritiker, wie der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt, fürchten, dass “Betroffene in minder entlohnte Tätigkeiten gedrängt werden könnten”.

Wird es eine Pflichtarbeit geben?

Während des Wahlkampfes war häufig von einer möglichen Arbeitspflicht die Rede. Im Koalitionsvertrag taucht dieser Begriff nicht explizit auf. Stattdessen sollen Anreize für eine raschere Arbeitsaufnahme geschaffen und Sanktionen verschärft werden.

Die tatsächliche Umsetzung ist jedoch ebenso fraglich wie die ausreichende Ausstattung der Jobcenter mit personellen und finanziellen Mitteln, um eine engmaschige Betreuung und Vermittlung zu ermöglichen.

Neustruktur der Jobcenter

Die grundlegende Struktur der sozialen Sicherung für Arbeitssuchende wird sich nach aktuellem Stand kaum verändern. Der Vermittlungsvorrang, der unter Hartz IV galt, soll wieder gestärkt werden.

Das bedeutet, dass die schnelle Vermittlung in eine Beschäftigung jeglicher Art wieder eingeführt werden soll. Zu befürchten ist, dass wieder ein sog. Drehtüreffekt entsteht.

Schnelle Vermittlung in schlecht bezahlte Arbeit und schnelle Rückkehr in den Leistungsbezug. Das jedenfalls war das Ergebnis während der Hartz IV-Zeit.

Regelleistungen sollen weniger steigen

Geändert werden soll auch die Herleitung und Berechnung der Regelleistungen. Man will wieder zur alten Berechnungsgrundlage zurück, um einen Anstieg der Leistungen abzumildern. Welche konkreten Berechnungsgrundlagen die künftige Bundesregierung verwenden will, ist ebenfalls noch unklar. Zu befürchten ist jedoch, dass es wieder zu Unterdeckungen kommen wird.

Wie geht es weiter?

Viele Leistungsberechtigte fragen sich, ob sich durch die Namensänderung und die geplanten Korrekturen an den Regelungen tatsächlich etwas an ihrer persönlichen Situation ändert. Nach dem bisherigen Kenntnisstand sind keine wesentlichen Einschnitte beim Leistungsumfang vorgesehen. Die geplanten Sanktionen könnten jedoch zu einer verstärktem Druck führen, weil sie öffentlich diskutiert, aber in ihrer konkreten Ausgestaltung noch unklar sind.

Warum bleibt so viel unklar?

Die Formulierungen im Koalitionsvertrag lassen offen, wie verbindlich einzelne Maßnahmen wirklich werden. Das Vorhaben, Mittel für persönliche Beratung und Förderung bereitzustellen, ist zwar politisch wohlgelitten, doch ohne konkret festgelegte Budgets und klare Umsetzungspläne geraten solche Vorhaben schnell ins Stocken.

Viele Formulierungen bleiben im Stadium von Absichtserklärungen, was vor allem in schwierigen Haushaltslagen die Gefahr birgt, dass Neuerungen entweder nur langsam oder gar nicht umgesetzt werden.